Freitag, 18. Januar 2013

Verhängnisvolle Vollmacht

Im heutigen Blog möchte ich darüber berichten, was man unter Kundenbetreuung seitens einer grossen Bank verstehen muss. Gerne hoffe ich, dass dieser Fall die berühmte, vielzitierte Ausnahme darstellt. Die Frage sei vorab erlaubt: ist die Bank mit ihren Kundenberatern für die Kunden da - oder ist es heute umgekehrt, müssen die Kunden für die Bank da sein?

Erleichtert darüber, dass ihre betagte, schwer pflegebedürftige Mutter und ihr Mann endlich die Zustimmung zur Übersiedlung ins Pflegeheim gaben und auch gleich die Vertretungsvollmachten regeln wollten, war Olga - als Älteste der Geschwister und Stiefgeschwister - gerne bereit, dieses Amt zu übernehmen. 
Mit dem Einzug der Eltern im Pflegeheim wähnte sich Olga entlastet von vielen vermeintlichen oder tatsächlichen Betreuungspflichten und -lasten. Und so konnte sie überhaupt gar nicht verstehen, weshalb die Heimleiterin mit einem "oh je, Sie Arme..." die unterzeichneten Vollmachten entgegen nahm. Das war 2008.

Inzwischen wurde Olga eines Besseren belehrt! Vom vielen Ungemach mit den Sozialversicherungen sei hier nicht berichtet. Nein, unser Augenmerk liegt heute bei der Bank. Einer grossen Kantonalbank und ihren "Kundenberatern". 
Als vor bald drei Jahren Olgas Stiefvater starb, suchte sie die örtliche Zweigstelle auf um sich über das weitere Vorgehen zu erkundigen, denn es standen noch Heimrechnungen, Arztkosten sowie Krankenkassen- und Steueramts-Abrechnungen offen. Sie wurde an eine spezielle Stelle in der Bankzentrale verwiesen und bekam ein Merkblatt mit den wichtigsten Anordnungen, an die sie sich genauestens hielt. Keine Fehler zu machen war Olga ein grosses Anliegen, hing doch der familiäre Haussegen ziemlich schief, weil sich die Stiefgeschwister durch der Vollmacht ihres Vaters übergangen fühlten und jede "Tat" von Olga mit Argusaugen aus dem Abseits beobachteten. Einbinden in die Verantwortung liessen sie sich nicht, Informationen schienen sie nicht zu interessieren. Gerade deshalb fühlte sich Olga unter äusserst starkem Druck. 

Und dann kam der Tag, an dem die Bank das Nachlasskonto ohne Vorankündigung sperrte und sich weigerte, weitere Zahlungsanweisungen auszuführen, die nachweislich den Verstorbenen betrafen. Egal ob in langen Telefonaten mit einer ganzen Reihe von Kundenberatern, persönlichen Vorsprachen oder E-Mails - die Situation schien klar: es gab keinen Zugriff mehr. Schliesslich fasste sich Olga ein Herz und wandte sich an den CEO der Kantonalbank mit der Frage, wie und was sie denn noch dazu beitragen könnte, damit die Bankangestellten sie endlich in ihrer Aufgabe unterstützen könnten, statt ihr immer wieder neue Steine in den Weg zu legen. Und siehe da, plötzlich war die Sache ganz einfach: ein neuer Sachbearbeiter rief bei Olga an und erkundigte sich im Auftrag des CEO, warum Olga denn nicht das Formular "..." ausgefüllt habe. Offenbar handelte es sich dabei um ein besonderes Heiligtum, denn das besagte Formular konnte nicht per Fax direkt an Olga sondern höchstens an die Zweigstelle im Dorf geschickt werden. Das wiederum setzte voraus, dass Olga die Zweigstellenleitung informierte, welche ihrerseits den Sachbearbeiter anrief um ihm dann mittels E-Mail die Faxnummer der Zweigstelle zu übermitteln. Schliesslich konnte Olga das fragliche Formular auf der Zweigstelle unterzeichnen und damit war der Geldtransfer auf dem Nachlasskonto alsbald wieder möglich.

Obwohl nur wenige tausend Franken an die Erben zu verteilen waren, dauerte die Erbteilung fast zwei Jahre. Dies deshalb, weil der Arzt nur sporadisch Rechnungen schrieb, was Auswirkungen auf die Krankenkassen-Vergütungen und auf die letzte Steuerrechnung per Todestag hatte. Schliesslich war es soweit: alle Rechnungen bezahlt, alle Unterlagen vollständig! Wieder einmal fühlte sich Olga erleichtert - und wieder einmal ging es erst richtig los mit den Unannehmlichkeiten. Olga hatte nämlich mit den Eltern und nach dem Todesfall speziell mit ihrer Mutter vereinbart, für die Erbteilung einen Treuhänder beizuziehen. Der wiederum setzte Verträge auf, in welchen ihm eine peinliche Namens-Verwechslung unterlief. Das rief Olgas Stiefschwester auf den Plan, die jetzt endlich ihre Stunde gekommen sah, die ganze Vermögenslage und -verwaltung durch Olga in Frage stellte und von sich aus dem Treuhänder das Mandat entzog. Selbstverständlich wurde auch Olgas Mutter involviert, die ob des ganzen Trubbels die Übersicht verlor. Nur dank Vermittlung einer Drittperson gelang es Olga zusammen mit dem Treuhänder, die Mutter von der Richtigkeit des Erbteilungsvertrages zu überzeugen. Olgas Stiefschwester bestand darauf, alle Unterlagen und Bankbelege durch eine Vertrauensperson ihrer Wahl nochmals eingehend prüfen zu lassen. Schliesslich stand der Erbteilung nichts mehr im Weg.

Mittlerweile hatte 2012 begonnen. Mit letzten Seelenkräften ging Olga daran, die Gelder entsprechend dem rechtsgültigen Vertrag an die Stiefgeschwister und die Mutter zu überweisen. Sie staunte allerdings nicht schlecht, als die entsprechende Bankabrechnung nur die Zahlung an den Stiefbruder und die Mutter auswies, diejenige für die Stiefschwester aber fehlte. Sie faxte die fragliche Zahlungsanweisung an die Bank, welche leider das Original nicht mehr finden konnte...! Soweit so gut, Olga sandte eine neue Zahlungsanweisung. 
(Uns stellt sich heute natürlich die Frage: haben die Bankfachleute denn da die Konto-Nummer auf der Auftragskopie nicht mit derjenigen des fraglichen Nachlasskontos verglichen? Wie sie wohl nach dem Fehler gesucht haben mögen?)

Dieser Tage erhielt Olga einen Brief von der Kantonalbank. Hier sei erwähnt, dass auch Olga selber seit Jahrzehnten Kundin dieser Bank ist. Im Schreiben wurde ihr mitgeteilt, dass ihr Konto einen Fehlbetrag von über tausend Franken zulasten der Bank aufweise, der mit einem erheblichen Verzugszins belegt werde. Ferner wurde Olga aufgefordert, das Geld umgehend zu überweisen.
Olga war deshalb höchst erstaunt über diesen überraschenden Bericht, weil sie für jede Überweisung ab ihrem Privatkonto jeweilen den entsprechenden Betrag zuerst vom Anlagesparkonto übertragen liess. Ihr erstes Telefonat mit der unterzeichnenden Kundenbetreuerin ergab, dass der Fehlbetrag offenbar seit September 2012 bestehe, dass man den Ärger der Kundin verstehe, dass jedoch kaum mit einem Entgegenkommen zu rechnen sei. Die Frage, weshalb Olga keine Bankauszüge von ihren eigenen Konti erhalten habe, konnte in diesem Gespräch nicht schlüssig beantwortet werden. Dann meldete sich der Vorgesetzte bei Olga. Er wies jede (Mit-)Verantwortung seiner Angestellten von sich. Das Gespräch  führte insofern zur Klärung, als offenbar seit Jahren alle Bankunterlagen auf ein E-Banking-Mailkonto geschickt wurden - ungeachtet dessen, dass Olga hier niemals E-Banking benutzte. Olga wurde mit einem Mal klar, weshalb sie seit Jahren immer die Jahresabschlüsse monieren musste. Immerhin erwähnte der Chef eine Zahlung im Februar 2012 - also beinahe vor Jahresfrist - mit welcher Olga ins Minus geraten sei, da seltsamerweise für diese Zahlung keine vorherige Kontoüberweisung stattgefunden habe. 
Olga ging nochmals über die Bücher, fand jedoch keine Unterlagen für eine Zahlung im Februar. Dies meldete sie telefonisch der Sachbearbeiterin, die ihrerseits ebenfalls in den Akten wühlte und feststellte, dass eine Zahlung an Olgas Stiefschwester ausgeführt wurde mit dem Vermerk "Erbteilung". 
(Die Bank hatte also beinahe ein Jahr lang Verzugszins einkassiert und selbst die aussergewöhnliche Transaktion bot offenbar keinen Anlass für die Kundenbetreuer, mit Olga Rücksprache zu nehmen! Das führt uns heute natürlich zur Frage, inwieweit man bei dieser Bank vor Betrugshandlungen Dritter geschützt wäre?)

Wie Schuppen fiel es Olga jetzt von den Augen: darum also war der fragliche Zahlungsauftrag im Nachlasskonto nicht auffindbar! Olga stieg in den Keller, um die Akten aus ihrem "Archiv" zu holen. Und siehe da: in der Tat hatte sie aus unerfindlichen Gründen irrtümlich für die Überweisung des stiefschwesterlichen Erbes eine Zahlungsanweisung erwischt, die ihr eigenes Privatkonto belastete, statt das Nachlasskonto der Erbengemeinschaft...
Mit der späteren korrekten Überweisung vom Nachlasskonto ihres Vaters kam die Stiefschwester daher in den Besitz des doppelten Erbbetrages. Ende gut - alles gut?

Die Tatsache, dass Olgas Stiefschwester die doppelt erhaltene Zahlung bis heute verschweigt, macht Olga sehr zu schaffen. Sie wird wohl wieder den Treuhänder bemühen müssen, um den Betrag zurückzufordern.

Und die Moral von der Geschichte?
Man glaubt Olga aufs Wort, dass sie sich heute aufgrund ihrer Erfahrungen weigern würde, bevollmächtigt zu werden. Fazit: drum prüfe, wer sich mit einer Vollmacht bindet...!

Es geht nicht um Schuldfragen. Denn wie meistens haben auch in diesem Fall mehrere verschiedene, ungünstige Umstände und Unachtsamkeiten zur unliebsamen Entwicklung beigetragen. Das beschreibt der Volksmund treffend: Wenn in einer Sache einmal der Wurm steckt, ist die Sache nicht mehr zu retten.